„In weißer Zauberstunde,
Erstarrt im Sternenschein,
Gleißt überm Tannengrunde
Der Weiße Stein.
In übermoosten Tiefen
Drängt aus dem Felsenschacht,
Als wenn ihn Sterne riefen –
Der Quarz mit aller Macht.
Er dringt durch Felsenwände,
Von Inbrunst ganz erfüllt,
Dass sich in ihm vollende
Das Sternenbild.
In seeligem Erinnern
An das bestirnte All
Wächst tief im Felseninnern
Der Quarzkristall.“
(Siegfried von Vegesack, 1888-1974)
Viechtach. Schnurgerade zieht sich der Pfahl auf einer Länge von 150 Kilometern durch den Bayerischen Wald. Als ob ein Riese mit einem Lineal den Woid in zwei Hälften zerteilt hätte. Was ist der Pfahl eigentlich? Und warum ragt er so majestätisch in den Himmel?

Die Burgruine Weißenstein thront auf rund 750 Metern Meereshöhe direkt auf dem Quarzfelsen des Pfahls. Foto: Schröder/Tourist-Information Regen
Im Erdaltertum, vor ungefähr 275 Millionen Jahren, als die Erde nur Insekten und Amphibien bevölkerten, waren die Kontinente stark in Bewegung. Dort, wo wir heute leben, sind einst Gebirgszüge entstanden, so hoch wie der heutige Himalaya. Dabei wurde der „vordere“ gegenüber dem „hinteren“ Bayerischen Wald massiv angehoben. An der Bruchstelle drang kieselsäurehaltiges Wasser ein. So bildete sich in sechs Kilometern Tiefe eine Quarzwand aus.
„Schroffe, kahle, hell-leuchtende Quarzfelsen“
In den vielen Millionen Jahren, die seitdem vergangen sind, haben Wind und Wasser das Gestein abgetragen, das die Quarzwand umgeben hat. Was sie aber nicht abtragen konnten, das war das Quarzgestein, das viel härter und widerstandsfähiger ist. Und deswegen ragen auch zum Beispiel in der Nähe von Viechtach, Patersdorf oder Cham schroffe, kahle, hell-leuchtende Quarzfelsen in den Himmel. Diese haben die Menschen „Pfahl“ genannt.

Das „Fressende Haus“, in dem Siegfried von Vegesack sein künstlerisches Schaffen vorantrieb. Foto: Hog’n-Archiv
Ein paar Kilometer südöstlich von Regen thront die Burgruine Weißenstein auf dem Pfahl. Burg auf dem „weißen Stein“ nannte man sie, als sie im 12. Jahrhundert von den Grafen von Bogen erbaut wurde. Im Dreißigjährigen Krieg haben schwedische Truppen die Burg verwüstet. 1742 ist sie während des Österreichischen Erbfolgekriegs endgültig zerstört worden. Seitdem liegt die Hauptburg auf dem Pfahl in Trümmern.
Am Fuße des Felsens befindet sich seit 1762 ein großer Turm. Er diente als Getreidekasten. Dort mussten die Untertanen den „Zehent“, den zehnten Teil ihrer Ernte, abgeben. Ganz ähnlich funktioniert heute die Einkommensteuer. 1918 kaufte der Schriftsteller Siegfried von Vegesack (1888-1974), von dem auch das einleitende Gedicht ist, den Turm. Dort entstanden in den fast 50 Jahren, die er dort wohnte, 42 Bücher, zahlreiche Theaterstücke, Übersetzungen und Gedichte. Seinen zweiten Roman, der 1932 im Verlag Büchergilde Gutenberg (Berlin) erschien, nannte er „Das Fressende Haus“. Damit ist natürlich der Turm gemeint, in dem er wohnte. Ihn zu erhalten, kostete ihn sehr viel Geld. In seinem Roman schildert er einen Fremden, der nach Weißenstein kommt, staunend das Leben der „Waldler“ betrachtet, schließlich den Turm kauft und sich ruiniert, weil die Instandhaltungskosten ihm über den Kopf wachsen.
Das Grab des „spinnerten Barons“
Dank des Engagements des „spinnerten Barons“, wie ihn die „Waldler“ nannten, wurde der Pfahl 1939 unter Naturschutz gestellt. In unmittelbarer Nähe zum „weißen Stein“ ist auch sein Grab zu finden.
Christoph Goldstein
The post Der Pfahl und die Burgruine auf dem „weißen Stein“ first appeared on Da Hog’n - Onlinemagazin ausm Woid.