Freyung-Grafenau/Regen. „Unser Grundwasser braucht endlich Schutz“, fordert Rosi Steinberger von den Grünen. „Ich hoffe, dass nun endlich etwas passiert.“ Die Landtagsabgeordnete nimmt dabei Bezug auf die geplante Landesverordnung „Rote Gebiete Nitrat“, die derzeit vom Umwelt- und Landwirtschaftsministerium erarbeitet wird. Wissenschaftliche Studien hatten Steinberger zufolge belegt, dass die Nitratbelastung des Grundwassers in Unterfranken und in Teilen Niederbayerns besonders hoch ist. Laut neuer Verordnung sollen in Gebieten, in denen der Vorsorgewert von 37,5 Milligramm Nitrat pro Liter Grundwasser überschritten wird, Landwirte zukünftig dazu verpflichtet werden, gewisse Maßnahmen umzusetzen, um die Nitratwerte zu senken. Bisher waren alle Regelungen für die Landwirte freiwillig. „Das Prinzip der Freiwilligkeit ist eindeutig gescheitert“, ist Steinberger überzeugt.

Aufgrund des Umstands, dass seit Jahrzehnten zu viel Gülle und Mineraldünger auf den Feldern verteilt werde, gestalte sich die Aufbereitung von Trinkwasser zunehmend schwieriger und teurer, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Symbolfoto: dbfz
Die neue Verordnung dürfe aber nicht eine reine Alibiveranstaltung werden, bei der sich die Landwirte jene Maßnahmen aussuchen, die ihnen am wenigsten lästig erscheinen, sagt die Grünen-Politikerin. Die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen müsse ebenfalls noch geprüft werden. Und auch am Zeitrahmen übt Steinberger Kritik: „Das Grundwasser braucht sofortigen Schutz. Maßnahmen, die erst ab 2019 greifen, kommen zu spät. Wir brauchen klare Vorgaben, die wirklich greifen und wirksame Kontrollen, ob die Maßnahmen umgesetzt werden – und das umgehend.“
„Nitratbelastung von Trinkwasser in Regen kein Problem“
„Gefahr fürs Trinkwasser“ titelte die Süddeutsche Zeitung Anfang August. „Weil seit Jahrzehnten zu viel Gülle und Mineraldünger auf den Feldern verteilt wird, wird die Aufbereitung von Trinkwasser immer schwieriger und teurer“, heißt es dort. Offiziell gelte ein Drittel der Messstellen in Deutschland als zu hoch belastet, tatsächlich sei die Situation jedoch noch kritischer. Wie gestaltet sich die Situation in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen? Da Hog’n hat bei den Landratsämtern nachgefragt.
„Die Nitratbelastung von Trinkwasser ist im Landkreis Regen kein Problem“, gibt Amtssprecher Heiko Langer Auskunft. Ein Grund: Es gebe dort kaum klassische landwirtschaftliche Flächen. „Gülle wird zwar auch auf Wiesen ausgebracht, aber normalerweise nicht im Übermaß, da die Flächen in der Regel als Futterwiesen dienen und nicht, wie klassische Felder, mit Nutzpflanzen bebaut werden.“ Auch die Kunstdüngerverwendung sei nicht der Regelfall, informiert Langer. „Zudem sind nahezu alle Wasserquellen im Landkreis Regen in den Wäldern zu finden. Hier ist ist in der Regel nicht mit einer Nitratbelastung zu rechnen, da Wälder nicht gedüngt werden.“
Wie die SZ berichtet, gelte offizielle ein Drittel der Messstellen in Deutschland als zu hoch nitrat-belastet – tatsächlich sei die Situation noch viel kritischer. „Wir haben keine einzige Wasserversorgungsmessstelle im Landkreis, bei der es zu hohe Werte gibt“, kommentiert Langer dazu. Auch bei den Hausanlagen gebe es in der Regel keine Probleme: „Lediglich bei sieben Hausanlagen hatten wir zuletzt zu hohe Nitratwerte.“ Die entsprechenden Probenahmestellen befinden sich bei Hausanlagen in der Trinkwasserinstallation, so Langer.
Keine Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich Gülleausbringung
Die Trinkwasserversorgung im Landkreis Regen liegt in kommunaler Hand. Dort besitzen 24 Gemeinden eigene Wasserversorgungsanlagen. Zudem gibt es im Landkreis einige kleinere Wassergemeinschaften und die Wasserversorgung Bayerischer Wald, die ihr Wasser aus der Trinkwassertalsperre in Frauenau bezieht. „Die Trinkwasseraufbereitung ist in der Regel gemeindliche Aufgabe. Wir wissen aber, dass wir keine Kommune haben, die Nitrat aus dem Wasser filtern müsste“, berichtet der Landratsamtssprecher weiter.

Langer: „Wir wären nur zuständig, wenn Gülle in ein Naturschutzgebiet, Biotop oder ähnliches ausgebracht wird.“ Symbolfoto: Bund Naturschutz
Nitrat ist ein oxidatives Endprodukt, das beim Abbau stickstoffhaltiger, organischer Substanzen, wie z. B. Gülle, entsteht. Ein zu hoher Nitratwert kann nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Gefährlich ist nicht das Nitrat an sich, sondern die mögliche Bildung von Nitrosaminen, von denen einige zu den krebserregenden Stoffen zählen.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass das Nitrat im Körper in das gesundheitlich bedenkliche Nitrit umgewandelt wird. Nitrit kann bei Säuglingen zur Methämoglobinämie (Blausucht) führen. Aus Vorsorgegründen sollte das Wasser bei einem Nitratwert von mehr als 25 mg/Liter nicht für die Zubereitung von Speisen und Getränken für Säuglinge und Kleinkinder bis sechs Jahren verwendet werden.
Hinsichtlich der Gülleausbringung durch bäuerliche Betriebe hat das Landratsamt Regen Langer zufolge keine Kontrollmöglichkeiten. Dafür sei das Landwirtschaftsamt zuständig. „Wir wären nur zuständig, wenn Gülle in ein Naturschutzgebiet, Biotop oder ähnliches ausgebracht wird.“
Grafik des Umweltbundesamts sorgt für Verwirrung
Verblüfft reagiert Langer auf eine Grafik des Umweltbundesamts, die in einer in dessen Namen durchgeführten Studie mit dem Titel „Quantifizierung der landwirtschaftlich verursachten Kosten zur Sicherung der Tinkwasserbereitstellung“ (Abbildung 54, Seite 194) erschienen ist und auch in der SZ veröffentlicht wurde. Daraus lässt sich ablesen, dass fast überall in Deutschland die Nitratbelastung zu hoch sei – auch und insbesondere in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen. Die Grafik zeige, um wie viel die Nitratmengen aus Sicht der Wasserversorger in den jeweiligen Regionen reduziert werden müssten, um auf ein vernünftiges Maß zu kommen.
„Der höchste Wert, den wir aus unseren Unterlagen ablesen können, beläuft sich auf 4,2 mg/Liter“, informiert Langer, der sich den aus der Grafik zu entnehmenden Wert für den Landkreis Regen (erfoderliche Nitrat-Minderung von 70 bis 80 kg N/ha) nicht so recht erklären kann. „Möglicherweise wurden für diese Studie gewisse Einzelanlagen in Privathaushalten untersucht und daraus irgendein statistischer Wert abgeleitet“, rätselt der Amtssprecher. Wasserprobleme in puncto Nitrat und Pestizid seien ihm nicht bekannt, wie er nochmals betont. Es gebe allenfalls hin und wieder Probleme mit Verkeimungen, das er als „klassisches Wasserproblem im Bayerischen Wald“ bezeichnet. Er bekräftigt: „Unser Wasser kann man gut trinken, da muss man keine Angst haben.“
Amtsarzt Dr. med. Bernhard Edenharter schätzt Langer zufolge die Statistik des Umweltbundesamtes nicht als Statistik, sondern als wissenschaftliche Arbeitsannahme ein. Das heißt, es handele sich laut Edenharter bei der Grafik nicht um ein auf tatsächliche Messwerte basierendes Bild, sondern um ein möglicherweise an verschiedenen Versuchsflächen ermitteltes.
„Das ist alles sehr hypothetisch und sehr schwer vorstellbar, dass diese Werte einmal bei uns erreicht werden, da wir uns momentan eben bei 3 bis 5 Milligramm befinden“, sagt Heiko Langer. „Das ist alles sehr wissenschaftlich, sehr theoretisch. Möglicherweise ist das bei dem ein oder anderen Feld so, aber da gewinne ich ja nicht unbedingt die Messewerte für unser Grundwasser daraus. Insofern ist das etwas schwer nachvollziehbar und entspricht nicht der momeanten Realität.“
FRG: „Trinkwasser muss nicht aufbereitet werden“
„Die Trinkwasserverordnung 2001 legt für Nitrat einen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter fest“, teilt das Landratsamt Freyung-Grafenau in Person von Karl Matschiner gegenüber dem Hog’n zum Thema mit. Bei Einhaltung des Grenzwerts sei für die Verbraucher gewährleistet, dass bei regelmäßigem, täglichem Verzehr des Trinkwassers keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen hervorgerufen werden. „Sollte der Grenzwert überschritten werden, werden unverzüglich Maßnahmen durch das Gesundheitsamt ergriffen.“
Bisher sind die Regelungen für die Landwirte größtenteils freiwillig…
Posted by BR24 on Dienstag, 8. August 2017
Im Landkreis Freyung-Grafenau gibt es 25 gemeindliche Wasserversorgungsanlagen und acht Wassergenossenschaftsanlagen. In den bestehenden Wasserversorgungsanlagen im Landkreis Freyung-Grafenau müsse das Trinkwasser nicht aufgrund Nitrat- oder Pflanzenschutzmittelbelastung aufbereitet werden, teilt Matschiner weiter mit.
Hinsichtlich weiterer Auskünfte bezüglich der Nitrat-Grundwasserbelastung und Messstellen des Rohwassers verweist das Landratsamt FRG auf das Wasserwirtschaftsamt in Deggendorf; in Bezug auf Informationen zum Verfahren und den Kosten der Trinkwasseraufbereitung auf die Betreiber der Trinkwasserversorgungsanlagen.
Stephan Hörhammer