Passau/Viechtach/Waldkirchen. „Angesichts der Tatsache, dass alle künftigen Projekte vor dem Hintergrund des zu vermeidenden Klimawandels zu bewerten sind, erscheint dieser Ausbauplan wie aus der Zeit gefallen“, kommentiert Bundestagsabgeordneter Erhard Grundl. „Das Straßenbauamt Passau plant einen völlig überzogenen und überdimensionierten Ausbau der B85 bei Viechtach“, schimpfen die Verantwortlichen von „Zukunft Viechtach„. Protestnoten wie diese und öffentliche Demos haben offensichtlich Wirkung gezeigt, denn: Das für die Planungen verantwortliche Staatliche Bauamt Passau zieht nun entsprechende Konsequenzen in Betracht.

Von Kritikern als „Monsterkreuzung“ bezeichnet: Visualisierung der Planung zum Umbau des B85-Knotens Viechtach. Animation: Ingenieurbüro Wiederer
„Die Bundes- sowie die Staatsregierung haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Investitionen getätigt, um die Bundes- und Staatsstraßen im Landkreis Regen verkehrssicherer zu machen und, wo es im Sinne der Verkehrssicherheit und der Verbesserung von Verbindungen erforderlich war, auch baulich zu verbessern“, beginnt die Pressemitteilung des Staatlichen Bauamts Passau, die in dieser Woche mit dem Titel „Straßenbau im Landkreis Regen: Wo soll es hingehen?“ an die Medien versandt worden war. Der Rückgang der Unfallzahlen, besonders der Zahl schwerer bis tödlicher Unfälle, an den bereits ausgebauten Streckenabschnitten wie am Marcher Berg oder am Stausee bei Regen zeige, wie richtig und sinnvoll diese bisherigen Maßnahmen gewesen seien.
„Arbeiten nicht gegen neue Interessenslagen“
„Wichtig war uns, dem Staatlichen Bauamt, dabei, diese Maßnahmen für die Region und ihre Verkehrsteilnehmer stets im Einklang und Konsens gemeinsam mit den Kommunen und Gemeinden, dem Landkreis und den an der Verbesserung der Infrastruktur interessierten Mandatsträgern umzusetzen“, ist der Meldung weiter zu entnehmen. „Wenn die maßgeblichen Entscheidungsträger im Landkreis und den Gemeinden diese bisherigen verkehrspolitischen Ziele so nicht mehr umsetzen wollen, nehmen wir dies zur Kenntnis und ziehen daraus die notwendigen Konsequenzen bis hin zur Beendigung noch laufender Planungen – denn solch weitreichende Projekte sind nur in der Zusammenarbeit und mit gegenseitiger Unterstützung möglich“. Dazu wird Robert Wufka, leitender Baudirektor und Leiter des Bauamts Passau, wie folgt zitiert: „Wir als Staatliches Bauamt arbeiten nicht gegen neue Interessens- und Beschlusslagen der Gemeinden oder des Landkreises.“

Robert Wufka, leitender Baudirektor und Leiter des Staatl. Bauamts Passau: „Dieser Konsens und das Interesse einer ganzen Region waren unser Leitmotiv.“ Foto: Hog’n-Archiv
Die Bundesregierung habe jüngst ihr neues Verkehrssicherheitsprogramm „Vision Zero: keine Toten im Straßenverkehr“ für die Zeit bis 2030 veröffentlicht. Auch in den Verkehrskonferenzen der vergangenen Jahre hätten Bürgermeister, Entscheidungsträger und auch Verantwortung tragende Mandatsträger der gesamten Region eindeutig das Ziel „Mehr Verkehrssicherheit“ vorgegeben und immer wieder gefordert, „dass wir die Verkehrsinfrastruktur verkehrssicherer gestalten und ggf. auch Brennpunkte und Schwachstellen ausbauen, wenn andere Mittel nicht mehr ausreichen“, so die Behörde weiter. Auch die Wirtschaft – allen voran die Firmen Rohde & Schwarz in Teisnach sowie Rehau in Viechtach – haben dem Bauamt zufolge vehement und öffentlich sicherere und für ihre Interessenslagen auch leistungsfähigere Verkehrswege gefordert.
„Dieser Konsens und das Interesse einer ganzen Region waren unser Leitmotiv, um in den vergangenen Jahren neben der B 11 auch die B 85 in kritischen Abschnitten auszubauen“, sagt Bauamtsleiter Robert Wufka: Vor diesem Hintergrund seien die Ortsumgehungen Zwiesel und Regen, der Ausbau am Marcher Berg, der Kreisverkehr bei Patersdorf und ganz aktuell der Ausbau bei Hochbühl oder bei Ayrhof entstanden.
„Bezeichnung ‚Flächenfraß‘ liegt völlig daneben“
„Die von einem früheren Regener Landrat und vielen im Landkreis vor noch nicht allzu langer Zeit oftmals geäußerte Forderung, die Straßen ähnlich wie im Landkreis Cham vierspurig auszubauen, wollten wir als Staatliches Bauamt Passau jedoch bewusst nicht erfüllen“, heißt es in der Pressemitteilung. „Dies hätte wirklich massive Eingriffe in die Natur mit sich gebracht, die wir nicht für notwendig erachteten und auch nicht mittragen wollten, zum Vorteil für Natur und Umwelt. Wir haben uns stattdessen für flächensparende Ausbauvarianten, überwiegend am Bestand der alten Straßen B 11 oder B 85, entschieden“, erklärt Robert Wufka.
Nur an bestimmten Bergstrecken würden dritte Fahrspuren errichtet, um unfallträchtige Überholvorgänge an bestimmten Stellen zu verhindern und auch um dem Winterdienst die Arbeit bei liegengebliebenen Lkw und somit das Freiräumen der Strecken zu erleichtern. „So ist – bei objektiver Betrachtung – die Summe der Straßenbau-Maßnahmen in den letzten zehn Jahren im Landkreis Regen so gering, dass die oft verwendete hässliche Bezeichnung ‚Flächenfraß‘ völlig danebenliegt und im Vergleich die Bau- und Gewerbeflächen im Landkreis eine unbedeutend geringe Dimension darstellt“, wird seitens des Bauamts konstatiert.
Die seit dem Jahr 2010 im Landkreis Regen realisierten Bundesstraßenprojekte ließen sich an einer Hand abzählen, ein Kreisverkehr und dritter Fahrstreifen – in der Summe eine neu asphaltierte Fläche von wenigen Sportplatzfeldern, bezogen auf die Fläche des Landkreises Regen sei dies von einer unbedeutenden Größenordnung.
„Werden uns dieser neuen Entwicklung nicht verschließen“
Um Familien und Gewerbe und damit Arbeitsplätze zu erhalten, wird es dem Staatlichen Bauamt auch zukünftig notwendig sein, die überregionalen Straßen B 11 und B 85 sicherer zu machen. „Dieses Vorhaben wollen wir auch gerne weiterverfolgen, jedoch nur mit Zustimmung von Gemeinden und Bürgern.“ Der Landkreis Regen mit seinen Kommunen und Bürgern habe es selbst in der Hand, in welcher Richtung er sich die nächsten 20 Jahre ausrichten wolle: „Soll es mit dem Bau und Ausbau verkehrssicherer Straßen mit minimaler Flächenbeanspruchung weitergehen oder soll die aktuelle unfallträchtige Verkehrssituation auf bestimmten Streckenabschnitten erhalten bleiben und nur noch mit weiteren Beschilderungen von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen gelöst werden? Dies wäre für uns die schnellste und einfachste Vorgehensweise.“

Ebenfalls seit Langem in der Kritik: Die vom Staatlichen Bauamt entworfene Umbaulösung für den Knotenpunkt Waldkirchen.
In einem Punkt sind sich der Behörde zufolge die Fachleute einig: „Nur mit Radwegen, Bus und Bahn wird man den künftigen Verkehr im ländlichen Raum nicht bewältigen können. Das Kraftfahrzeug – egal ob elektrisch, mit Wasserstoff oder anderweitig betrieben – wird weiterhin verkehrssichere und leistungsfähige Straßen und Verbindungsachsen benötigen, selbst wenn es irgendwann autonom unterwegs sein sollte.“
Abschließend betont Robert Wufka nochmals: „Das Bauamt wird jedoch keine Projekte gegen den Willen einer Gemeinde oder Region durch- und umsetzen. Wenn die Bürger und Entscheidungsträger der Meinung sind, dass die in den letzten Jahren erklärte und verfolgte Verkehrspolitik im Landkreis überholt und nicht mehr gewünscht ist, werden wir uns dieser neuen Entwicklung nicht verschließen.“
Knotenpunkt Waldkirchen: Aufgabe, falls kein Einvernehmen
Auf Hog’n-Nachfrage, ob dies nun zu bedeuten habe, dass die Ausbaupläne in Sachen B85 bei Viechtach nun verworfen werden, wiederholt Pressesprecherin Sabine Süß, dass das Bauamt im Konsens mit Gemeinden, Landkreis und Region die Infrastruktur verbessern wolle: „Wenn die Region ein Projekt ablehnt, nehmen wir dies zur Kenntnis und werden daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen.“
Inwiefern die Aussagen der Behörde Auswirkungen etwa auf die geplante Umbaulösung für den ebenfalls viel diskutierten und als „Monsterkreuzung“ betitelten Waldkirchener Knotenpunkt haben, heißt es: „Die Stadt muss nun darüber entscheiden, ob die vom Staatlichen Bauamt Passau entworfene Lösung realisiert werden soll. Falls das Einvernehmen der Stadt – und des Landkreises, der mit einem Kreisstraßenast beteiligt ist – nicht erreicht werden kann, wird das Staatliche Bauamt Passau den Ausbau des Knotenpunktes aufgeben.“
da Hog’n
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