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Bund Naturschutz vs Staatliches Bauamt: Kritik und Gegenwehr

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Regen/Passau. Die Erweiterung größerer Verkehrsachsen im und durch den Bayerischen Wald hat sich im Rahmen zunehmender Bedeutung von Natur- und Umweltschutz zum Reizthema entwickelt, das für Diskussionsstoff sorgt. So etwa auch beim geplanten Kreuzungsausbau der B85 bei Viechtach, den der Bund Naturschutz immer wieder aufgrund den aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäßen Ausbauplänen des Staatlichen Bauamts Passau massiv kritisiert. Zu groß, zu teuer, zu planlos. Die Behörde sieht sich zu Unrecht im Kreuzfeuer stehen – und hält dagegen.

Ausschnitt aus der 3-D-Animation in Sachen geplanter Kreuzungsausbau der B85 bei Viechtach.

Die Kreisgruppe Regen des Bund Naturschutzes um deren Vorsitzenden Roland Schwab hat die jüngst veröffentlichte Grundsatz-Stellungnahme des Staatlichen Bauamtes Passau zum Straßenbau (da Hog’n berichtete) mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, wie einer BN-Pressemittelung zum Thema zu entnehmen ist. „Wir zollen Herrn Wufka hohen Respekt! Es war für ihn sicher nicht einfach, die eigenen Ausbaumaßstäbe, um in der Riege der überregional wichtigen bundesdeutschen Straßen mitzuspielen, in Frage zu stellen“, resümiert Schwab mit nicht zu überhörendem Unterton in Richtung des Behördenleiters – und ergänzt: „Da ist es auch nur zu verständlich, wenn am Ende der Stellungnahme ein leichtes Beleidigtsein herauszuhören ist – oder soll es gar eine Drohkulisse sein? –, weil die Planungsorgien bei mündigen Bürgern nicht mehr auf einhellige Zustimmung stoßen.“

Sanierung der Riedbachbrücke jahrelang vernachlässigt?

Zweifelsfrei habe es in der mehr als dreißigjährigen Straßenplanungsgeschichte im Bayerischen Wald auch wichtige Verbesserungen gegeben, heißt es von Seiten des BN Regen weiter. So könne es sich heute niemand mehr vorstellen, ohne Umfahrung durch die Städte Deggendorf, Regen und Zwiesel „zuckeln zu müssen“ – und dabei das Lebensumfeld der Bewohner „unzumutbar zu beeinträch­tigen“. Für überzogen und in Zeiten des Klimawandels und des sich ändernden Mobilitätsver­haltens nicht mehr zeitgemäß erachte der BN jedoch weiterhin die Mammut-Projekte zum Ausbau der B11 bei Ruhmannsfelden und Schweinhütt. „Ganz zu schweigen vom Kreuzungsbereich in Viechtach.“

Bund Naturschutz: „Seit der korrekten Inbetriebnahme der Ampel kommt es in Ruhmannsfelden kaum zu Wartezeiten.“ Foto: Lehmann

„Wir haben Verständnis für die Rechtfertigungsargumentation des Herrn Wufka bezüglich Sicherheit und Förderung des Wirtschaftsraumes“, sagt Roland Schwab. Nach Ansicht des BN ist dies jedoch nur die halbe Wahrheit – vielfach würden Details und Folgewirkungen nicht thematisiert oder nur sehr einseitig dargestellt werden. Hierfür nennt der Bund Naturschutz folgende Beispiele:

Nach Aussage des Staatlichen Bauamtes fordert die Wirtschaft, allen voran die Firmen Rohde & Schwarz sowie Rehau, leistungsfähige Verkehrswege. Wie könne aber, so die Frage der BN-Verantwortlichen, der Umbau des Kreuzungsbereichs B85/St2139 Abhilfe schaffen, wenn die Sanierung der direkt daran anschließenden, nahezu baufälligen Riedbachbrücke jahrelang vernachlässigt wurde? Wie könne die Westumfahrung Ruhmannsfelden die Logistik für Rohde & Schwarz in Teisnach verbessern, wenn gleich nach dem etwa 1,5 Kilometer dreistreifigen Ausbau weitere Einmündungen als Gefahrenstelle die Fahrgeschwindigkeit einbremsen? „Wäre hier eine leistungsfähig sanierte Staatsstraße nicht sinnvoller? Und wer, außer dem Staatlichen Bauamt, fühlt sich von einer Ampel ausgebremst? Seit der korrekten Inbetriebnahme der Ampel kommt es in Ruhmannsfelden kaum zu Wartezeiten.“

Kritikpunkte: Flächenverbrauch und Kostensteigerung

Im Fall des B11-Ausbaus bei Schweinhütt werde immer wieder auf die gefährliche Straßenführung und die fehlende Querungssicherheit der B11 in und aus dem Ort Schweinhütt verwiesen. Nach Ansicht des BN könnte die Querung mit etwas gutem Willen sofort und sehr kostengünstig abgesichert werden: „Eine Bedarfsampel und eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h würden reichen. Alternativ könnte der Schulbus, statt außerhalb des Ortes zu halten, einfach in den Ort hineinfahren.“

Der BN fordert verantwortungsvolle Verkehrssicherheit für Schweinhütt. Foto BN Kreisgruppe REG

Ferner erinnert der BN daran, dass die gefährliche Kurve am Ende des Ausbauabschnittes am Stausee erst durch den Ausbau entstanden sei und bei der Verkehrsfreigabe keine Sicherung vorgenommen wurde. Erst als sich die ersten Unfälle ereigneten, sei die Gefahrstelle mit Blinkleuchten und Geschwindigkeits­begrenzung abgesichert worden. „Fast hat es den Anschein, dass Gefahrstellen bewusst in Kauf genommen werden, um die Zustimmung zum weiteren Ausbau zu erzwingen“, sinniert Roland Schwab. Dabei bliebe immer noch die Frage offen, wer die Verantwortung und Haftung bei tragischen Unfällen, im schlimmsten Fall mit Todesfolge, übernehmen wird. „Die politischen Entscheidungsträger? Das Staatliche Bauamt? Die Wirtschaft? Die Nutznießer des Ausbaus?“

Ein weiterer Kritikpunkt des BN: der Flächenverbrauch. „Herr Wufka betont zwar immer wieder, dass durch Böschungen nominal zusätzliche Flächen gewonnen werden bzw. mit Ausgleichsflächen an anderer Stelle ökologisch wertvollere Standorte hinzukommen. Für Schwab bleibt es jedoch ein Rätsel, wie in einem begrenzten Raum das Wunder der Flächenver­mehrung funktioniert“, heißt es in der Pressemeldung dazu. Dabei sei es eine weitere leidige Praxis des Bauamtes, dass einzelne Planungsabschnitte relativ kurz angelegt werden. So spart man sich nach Ansicht des BN oft nicht nur ein kritisches Umweltprüfverfahren und rechnet sich den Kosten-Nutzen-Faktor schön. Zudem wirke die Baumaßnahme mit jeweils zwei bis drei Kilometer auf den ersten Blick nicht ganz so dramatisch.

„Hauptverkehrsströme haben sich anders entwickelt“

Allein für die drei Großprojekte Kreuzungs­umbau Viechtach sowie die B11-Verlegung Ruhmannsfelden und Schweinhütt fallen nach Schätzung des BN Baukosten in Höhe von rund 75 Millionen Euro an. Der Umweltschutzverband macht hierzu folgende Rechnung auf: Die Baukosten für Ruhmannsfelden seien in nur vier Jahren um etwa 45 Prozent von 18 Millionen auf 26 Millionen Euro im Jahr 2017 explodiert. Setze sich diese Kostensteigerung vergleichbar fort, würden sie zwischenzeitlich bei über 35 Millionen Euro liegen. „Für Schweinhütt wurden zehn Millionen Euro im Bundesver­kehrswegeplan angesetzt. Bei der Planfeststellstellung drei Jahre später wurden die Baukosten mit 14 Millionen Euro angegeben“, kritisiert der BN. Rechne man diese Preissteigerung weiter, dürften die Kosten derzeit mit rund 20 Millionen realistisch sein. Hinzu kommen die Kosten für den Knotenausbau beim Dreieck, den der BN mit etwa zehn Millionen Euro veranschlagt. „Für den Knoten Viechtach wurden 4,4 Millionen Euro im Jahr 2012 kalkuliert, realistisch dürften mittlerweile zehn Millionen Euro sein.“

Dieser Ausschnitt stellt die Einschleifung der REG 16 in die B11 bei Ruhmannsfelden dar.

Steuergelder, die nach Ansicht des BN nicht planlos vergraben werden dürfen. Hier appelliert der BN an das Bauamt, die politischen Mandatsträger und das Verkehrsministerium, die scheinbar im Überfluss vorhandenen Mittel verantwor­tungsvoll und nachhaltig einzusetzen. Der Region sei nicht damit geholfen, punktuelle Wirtschaftsförderung für einzelne Anlieger und Aufträge für die Bauindustrie zu generieren.

„Auch wenn es sich die Straßenbauingenieurskunst noch so sehr wünscht und hochrechnet, die B11 und die B85 haben im Bayerischen Wald kaum überregionale Bedeutung. Die Hauptverkehrsströme nach Tschechien haben sich anders entwickelt, als vor 30 Jahren prognostiziert, so dass auf den Bundesstraßen überwiegend lokaler und innerregionaler Verkehr stattfindet. Hierfür dürfen die nachfolgenden Generationen nicht mit den horrenden Ausbau- und Unterhaltskosten von überzogenen Ausbaustandards belastet werden“, gibt Schwab zu bedenken. Gerade zeige es sich in Viechtach, was die Bürgerinnen und Bürger vom Verbau der Heimat halten würden. Der Bund Naturschutz sei weiterhin bemüht alle Fakten zu den staatlichen Ausbauplänen auf www.regen.bund-naturschutz.de zu sammeln und zu hinterfragen.

Das Staatliche Bauamt Passau hält dagegen

„Unsere zentrale Aufgabe ist es, Straßen sicherer zu machen. Dies geschieht durch Beschilderungen, Abbiegespuren usw. – und dort, wo dies nicht ausreichend ist, durch Ausbau mit Verbreiterung oder durch Neubaumaßnahmen wie in Schweinhütt oder Ruhmannsfelden“, heißt es auf Nachfrage von Seiten des Staatlichen Bauamts, deren Verantwortlichen das Onlinemagazin da Hog’n die BN-Kritik mit der Bitte um Stellungnahme zukommen ließ. Dabei würden die bestehenden Naturschutzgesetze stets beachtet. „Diese beinhalten umfangreiche Angaben und Auflagen zum Ausgleich oder Ersatz der Eingriffe. Für die Naturbelange, vor allem für den Ausgleich der beanspruchten Fläche, entstehen meist mit einem Projekt wesentlich mehr und vor allem ökologische neue zusätzliche Flächen als vor dem Projekt vorhanden“, hält das Bauamt dagegen.

„Davon profitieren auch seltene Tiere und Pflanzen, die im Moorgebiet beheimatet sind-“ Symbolbild: pixabay.com/ MichaelGaida

Natürlich sei eine quantitative „Flächenmehrung“ in einem begrenzten Raum nicht möglich. Doch durch Aufwertung ökologisch wenig bedeutsamer Flächen – Monokulturen, intensiv bewirtschafteter Ackerflächen – entstehe qualitativ mehr Raum für die Natur, so die Behörde weiter. Als Beispiel dafür nennt sie die Ökokontofläche „Brandtner Moor“ in der Gemeinde Langdorf: „Dort ist in den vergangenen Jahren der Wasserhaushalt durch menschliche Eingriffe gestört worden, was Pflanzen und Tiere beeinträchtigte. Als Ausgleichsmaßnahme für eine Straßenbaumaßnahme wurde durch das Staatliche Bauamt dort seit einigen Jahren der Wasserhaushalt wieder verbessert, es wurden standortheimische Feuchtgebüsche gepflanzt und so der naturnahe Zustand gefördert.“ Davon profitierten auch seltene Tiere und Pflanzen, die im Moorgebiet beheimatet sind.

Die vom BN kritisierten Kostensteigerungen sind nach Ansicht des Bauamts unter anderem den allgemein steigenden Baukosten geschuldet. „Jede Privatperson, die aktuell ein Eigenheim errichten will, weiß um die Kostensteigerungen in der Baubranche. Das Geld, das wir in Straßen- und Brückenbau investieren, fließt in regionale Unternehmen, sichert Arbeitsplätze und stärkt somit direkt unsere Region.“ Von „punktueller Wirtschaftsförderung“ könne daher keine Rede sein – letztlich profitiere die gesamte Region von den Maßnahmen, vor allem durch eine Steigerung der Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit der beiden Hauptverkehrsachsen B 11 und B 85, die den Landkreis Regen an das Autobahnnetz im Donau-Isartal und somit an die großen bayerischen Wirtschaftsräume anbinden. Großen Anteil an den Kosten hätten zudem Naturschutz- und Ausgleichsmaßnahmen.

„Genehmigungsbehörde ist und bleibt die Regierung“

Die Erneuerung der Riedbachbrücke sei ein eigenständiges, technisch sehr komplexes Projekt. „Der Neubau ist zeitlich nicht mit dem Knotenumbau bei Viechtach gekoppelt“, argumentiert das Staatliche Bauamt. Das Talbrückenprojekt werde seit der umfassenden Prüfung des Bauwerks (2015) intensiv vorangetrieben. Anfangs sei das Amt noch bemüht gewesen das alte, sehenswerte Bauwerk zu erhalten. Bei vertieften Untersuchungen der angegriffenen Bausubstanz habe sich jedoch herausgestellt, dass nur noch ein kompletter Neubau technisch und wirtschaftlich zu vertreten sei. „Diese umfangreiche Planung hat viel Zeit in Anspruch genommen, zumal der laufende Verkehr auf der Bundesstraße und die Anlieger während der Bauzeit nicht übermäßig beeinträchtigt werden sollen. Im September 2019 haben wir darüber ausführlich im Stadtrat Viechtach informiert und die Stadt auch an der Wahl des Bauwerkes beteiligt.“

„Die Erneuerung der Riedbachbrücke ist ein eigenständiges, technisch sehr komplexes Projekt“, argumentiert das Staatliches Bauamt Passau. Foto: Staatl. BA Passau

Die gute Nachricht ist nach Ansicht der Baubehörde, dass sich die Planung für diesen Ersatzneubau nun auf dem Genehmigungsweg befindet. „Wie viel Zeit und Mühe eine derartig umfangreiche Brückenplanung in Anspruch nimmt, von der Statik über das Wasserrecht bis hin zum Naturschutz, können sich Außenstehende nicht vorstellen. Wer Interesse hat, ist gern eingeladen, sich bei einem Besuch im Amt über diese Arbeit zu informieren und Einblick zu nehmen in die vielen Ordner, die die Planungsunterlagen für die Sanierung der alten Brücke und jetzt für den Ersatzneubau füllen“, so das Angebot.

Zusammenfassend ist dem Bauamt zufolge festzustellen, dass es aktuell gar nicht um die grundsätzliche Planung an sich geht, sondern lediglich um die zwischenzeitlich nötigen Änderungen („Tektur“). Betroffene und Gemeinden erhielten hierdurch die Möglichkeit, sich zu den Änderungen zu äußern, soweit durch diese Änderungen neue Betroffenheiten entstünden. Nur diese Änderungen seien für die Regierung in dieser Verfahrensphase Thema – und nur hierzu solle die Stadt Viechtach bzw. der Stadtrat als Verwaltungsorgan momentan Stellung nehmen. „Natürlich kann und darf ein Stadtrat über alles Mögliche diskutieren, auch wenn er dafür nicht unmittelbar zuständig ist. Doch insoweit geht die derzeit laufende allgemeinpolitische Diskussion im Stadtrat an der Sache und am laufenden Genehmigungsverfahren vorbei. Genehmigungsbehörde ist und bleibt die Regierung.“

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