Zwiesel/Viechtach. Es ist kaum zu übersehen, wo Josef „Sepp“ Pfeffer in diesen Wochen seine Baustelle hat – rundherum ist das Haus aus den späten 50er Jahren mit hellen Schindeln aus Lärchenholz verkleidet. Es strahlt an diesem heißen Junitag in der Sonne. Nur noch Kleinigkeiten sind zu tun, ein paar Schönheitskorrekturen – dann hat der 63-jährige Schindelmacher aus Zwiesel sein Werk vollendet. Ungewöhnlich sieht er aus, der moderne Bau mit der Schindelverkleidung. Hier trifft der Naturstoff Holz auf Aluminium – Traditionshandwerk auf Moderne. Und das passt erstaunlich gut zusammen.
Was man heute meist nur noch in den Museumsdörfern findet, gehörte noch bis vor wenigen Jahrzehnten zum Bild eines jeden Bayerwalddorfes. Nicht nur die Fassaden der Häuser zierten Schindeln aus Tanne, Lärche oder anderen heimischen Hölzern – auch ganze Dächer wurden damit eingedeckt. Einen Schindelmacher gab es fast auf jedem Hof. Ein Handwerk, das viele Menschen im Woid beherrschten.
Damit ist Pfeffer einer der letzten seiner Art
Doch irgendwann war es damit vorbei: Die Holzschindeln kamen aus der Mode, gar als ärmlich waren sie verschrien – und somit verschwand der Naturstoff bald von den Häuserwänden. Vor 20 Jahren holte Sepp Pfeffer die kleinen Holztäfelchen mit seiner „Schindelwerkstatt“ wieder aus der Versenkung hervor.
Zuvor hatte der gelernte Brauer mit diesem Handwerk gar nichts am Hut. Denn auch, wenn es naheliegend wäre: Pfeffers kleine Firma ist kein uralter Familienbetrieb, in dem das Traditionshandwerk weitergegeben wurde, sondern erst seit 1997 „am Leben“. Mit Mitte 40 fing er an, sich für das Schindelmachen zu interessieren, um später – nach einem bewegten Berufsleben – seine Bestimmung darin zu finden. Damit ist Pfeffer einer der letzten seiner Art. Firmen, die Schindeln montieren, gibt es zwar ein paar – Pfeffer ist jedoch einer der wenigen, der die Holzschindeln zudem noch ganz traditionell selbst herstellt.
Dazu sichtet der Zwieseler zuerst die Stämme – nicht jeder Stamm ist geeignet, um daraus Holzschindeln zu machen. Gerade gewachsen müssen sie sein, nicht zu viele Äste dürfen sie haben. In den kalten Wintermonaten setzt sich Pfeffer dann an die Arbeit: Zuerst entfernt er Kern und Splintholz, dann werden die Stämme geviertelt. Mit dem Schindelmesser drückt er die Holzschindel dann aus den gespaltenen Stämmen. Sägen ist dabei tabu – das zerstört die Struktur und die Holzschindeln würden später Wasser saugen. Ganz zum Schluss putzt Pfeffer an der „Hoazlbeng“ die Kanten der Schindeln. Fünf Quadratmeter Holzschindeln schafft er so an einem Tag.





„Es ist sicher kein leicht verdientes Geld“
Ganze 200 Quadratmeter selbst hergestellte Holzschindeln hat Pfeffer an dem modernen Bau in Viechtach in den vergangenen sechs Wochen angebracht. Doch nicht nur moderne Bauten werden von der „Schindelwerkstatt“ verschönert, auch viele historische Bauten werden restauriert. In diesem Jahr führt sein Beruf den Schindelmacher noch an die holländische Grenze. Eine historische Windmühle soll mit Eichenschindeln neu verkleidet werden. „Ein ganz besonderes Projekt“, sagt Pfeffer. Mit nur wenigen Mitarbeitern – meistens sind sie zu zweit oder zu dritt auf der Baustelle – stemmt die kleine Firma auch größere Projekte. „Es ist sicher kein leicht verdientes Geld“, sagt der 63-Jährige. Seine Arbeit ist für ihn eine Leidenschaft.
Pfeffer entdeckte diese, als er und seine Frau Ende der 80er Jahre ein altes Bauernhaus in der Nähe von Viechtach kauften und wieder herrichteten. „Auf dieses Haus hätte nichts so gut gepasst wie Holzschindeln“, erzählt Pfeffer. Beim Anbringen der Holztäfelchen half er tatkräftig mit und merkte bald, dass ihm die Arbeit großen Spaß macht. Trotzdem sollten noch ein paar Jahre vergehen bis er sich näher mit der Materie auseinandersetzte.
Anfang der 90er legte er sich einen ganzen Schwung Literatur zu – alte Lehrbücher und Sammlungen vom Fraunhofer-Institut. „Das habe ich alles aufgesaugt, es hat mich einfach wahnsinnig interessiert.“ Doch mit der Theorie alleine war es nicht getan: Ein alter Schindelmacher zeigte ihm das Handwerk. 1997 entschloss er sich das Schindelhandwerk zum Beruf zu machen. „Mir war klar, dass das ein langer Weg wird – aber ich war mir sicher, dass es sich lohnt.“
„Du wirst locha – mia sama d’Schindlmocha“
Und er hat recht behalten: Heute kann sich der Zwieseler vor Aufträgen kaum mehr retten. „Die Schindeln werden immer bekannter, immer mehr Leute möchten ihr Haus damit verkleiden.“
Auch der Hausbesitzer in Viechtach kam im vergangenen Jahr auf den Schindelmacher zu, um seinem Haus ein ganz besonderes Aussehen zu verleihen: „Mir gefallen die Holzschindeln einfach. Holz als Naturstoff hat etwas ganz Eigenes – und das war auch der Grund, warum ich mich an den Sepp gewandt habe“, erzählt der junge Mann.
Pfeffer wünscht sich, dass er den Betrieb und damit die Tradition eines Tages weitergeben kann. „Meine Tochter wäre da sehr geschickt“, sagt der 63-Jährige. Und irgendwie steckt es der Familie Pfeffer ja auch im Blut: Selbst der kleine Enkel mit zwei Jahren beherrscht den Leitspruch der Firma schon einwandfrei: „Du wirst locha – mia sama d’Schindlmocha.“





Text: Stephanie Probst
Fotos: Rotwild Photography